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Seychellen

Cricket auf der Landebahn

 

Ein Reiseveranstalter hat auf einer entlegenen Seychelleninsel ein Hotel gebaut, das man nur mit dem Flugzeug erreichen kann. Schiffe dürfen an Denis Private Island nicht anlegen. Sonntags kommen auch keine Flieger an. Dann wird die Landebahn kurzerhand zum Cricketfeld umfunktioniert.

Denis Private Island - Die Champs Elysées kreuzen die kleine Insel ganz im Norden. Ein schmaler Sandweg, gleich neben der Landebahn. Neuankömmlinge, die zwanzig Flugminuten mit der Propellermaschine von Mahé hinter sich haben, kommen von hier zum Luxushotel. Zur Linken reiht sich Haus an Haus aneinander. Davor liebevoll gepflegte Gärten, mit großen Konservendosen als Blumenkübeln. Rechter Hand liegt La Chapelle, die winzige Kirche. Gleich dahinter, unter schattenspendenden Kokospalmen, ein Friedhof.

"Auf den Champs Elysées wohnen keine Hotelgäste", sagt Alan Mason, wasserblaue Augen, rundes Gesicht, die Sonnenbrille auf den kahlen Kopf geschoben. Der Gründer von Mason's Travel, dem ältesten Reiseveranstalter auf den Seychellen mit Sitz auf Mahé, lacht: "Diese Exklusivadresse ist für meine Mitarbeiter reserviert."

Wie ungewöhnlich, denkt der Besucher, wo doch Angestelltenwohnungen in Luxusanlagen oft hinter Lattenzäunen oder Wänden aus Wellblech verschwinden. Auch sonst ist hier einiges anders. Wer Denis Private Island besucht, logiert in einer mit gemusterten Stoffen und maßgefertigten Holzmöbeln ausgestatteten Strandvilla - leuchtend sind auch die schimmernd grünen Eidechsen, an jeder Wand mindestens eine. In dem Outdoorbad mit Spa hört man das Meeresrauschen. Noch näher an Wasser und Wellen rückt, wer sich auf seinen opulenten Tagesdiwan im weißen Sand fläzt. Statt Namen haben alle Villen bunt durcheinandergewürfelte Nummern.

Längst ist die Vergangenheit der kleinen Koralleninsel als profitable Kokosplantage vergessen. In den Palmen turteln selten gewordene Vögel wie der Magpie-Robin oder langschwänzige Paradise Flycatcher. Vom Aussterben bedrohte Riesenschildkröten schleppen sich über die Insel und vor dem Riff, in türkisblauen Tiefen, schwimmen große Marlins und Schwertfische.

Kein Mobilfunknetz, kein Fernsehen

"Was es nicht gibt, sind Wifi und Fernsehen", sagt Alan. Sämtliche Mobilfunknetze sind auf der winzigen Erhebung im Indischen Ozean ebenfalls nicht erreichbar. "Ein Schock für viele Gäste", gibt Alan zu. Aber der Entzug moderner Vernetzungstechnik ist durchaus gewollt. "Wer hierher kommt, will das, was mittlerweile größter Luxus ist - Zeit." Viele klinken sich völlig aus. Wenige kommen nicht damit klar, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. "Wir hatten mal einen Gast, der auf unseren stählernen Leuchtturm kletterte, um Empfang zu bekommen", erinnert sich der Seychellois. "Aber auch das war zwecklos."

Seit sechzehn Jahren ist die Insel in Familienbesitz. Davor versuchten Alans Eltern, Kathryn und Michael Mason, schon einmal, Denis Private Island zu kaufen. "Ein Franzose schnappte uns die Insel vor der Nase weg. Eineinhalb Jahrzehnte später hatte er schon genug vom Inselleben, da konnten meine Eltern endlich zuschlagen." Deren Familien wiederum kamen ursprünglich aus England. Kathy und Michael aber wurden auf Mahé geboren. Vor über fünfzig Jahren wohnten sie als Teenager in der gleichen Straße: "Michael hat mich jahrelang ignoriert", erinnert Kathy, drahtig, silbrigblonder Kurzhaarbob, Typ Maggie Thatcher. "Ich war ihm zu klein", lacht die mehrfache Großmutter und Mitbegründerin von Mason's Travel.

Als sie und ihr Mann endlich zusammenkamen, trafen sich zwei Gleichgesinnte. Sie setzten ihre Leidenschaft für die Seychellen im eigenen Unternehmen um und begannen Anfang der Siebziger, ein Netzwerk für Reisen zu spinnen. Mason's Travel entwickelt sich in den folgenden vier Jahrzehnten zum Marktführer. 1972 weihte die britische Königin den Flughafen auf Mahé ein und damit zog die Reisebranche im Steilflug an. Mason's Travel, nur einer von vier Veranstaltern auf den Seychellen, hat mittlerweile 220 feste Mitarbeiter. Weitere 100 Angestellte kümmern sich auf Denis Private Island um den Hotelbetrieb und die Farm.

 

Müßige Stunden und Barfußluxus

"Eine Kombination aus Barfußluxus und kreolischer Tradition", sagt Alan, fragt man ihn nach seiner Firmenphilosophie. Unter dieser Prämisse verkauft der 42-Jährige Reiseträume. Hotelbuchungen auf Praslin, Segelbootcharter im Meeresnationalpark vor Mahé, und Inseltouren auf La Digue, mit einem Ochsenkarren oder per Rad. Der weltweiten Krise zum Trotz geht es dem Unternehmen einigermaßen. Obwohl Fernreisen insgesamt weniger gefragt sind, profitiert man auf den Seychellen von einer ungebrochenen Entwicklung: Es gibt noch immer viele Reisende, die das Besondere suchen und die es sich leisten können.

Auf Denis Private Island bleibt, der müßig dahin rinnenden Stunden ohne iPad und Smartphone, Zeit in rauen Mengen. Kleine Ewigkeiten, in denen man einfach mal am Strand sitzen bleiben kann, den Blick auf den Horizont gerichtet, wo eine leichte Meeresbrise die hohen Palmen krault. Lange Zeitfenster, in denen man ein Fahrrad schnappen kann, um über die Insel zu strampeln. Dazu muss man sich durch einen Dschungel aus Kokospalmen, Quallenbäumen, Mangopflanzen und Schlinggewächsen kämpfen, in dem es immerzu raschelt und rennt, ständig ist irgendetwas in Bewegung. Drüben, auf der östlichen Seite der Landebahn, erstreckt sich das Farmland. Gärten, Äcker und Gewächshäuser. Ställe und Koppeln für die Rinder, Schweine und das Federvieh.

"Denis ist die einzige Seychelleninsel, auf der es frische Milch gibt", erzählt Alan. Damit seine Rinder ausreichend zu fressen haben, füttert er zwischendurch zerschredderte Palmenwedel - "das lieben die Viecher". Das Obst und Gemüse für das 25 Strandvillen umfassende Luxushotel stammt aus dem eigenen ökologischen Anbau. Solaranlagen sorgen für den nötigen Strom und speisen gleichzeitig die Warmwasseraufbereitung des Hotels. "Trinkwasser pumpen wir aus dem Innern der Insel hoch, es muss kaum entsalzt werden." Wenige hundert Meter weiter betritt man die Inselschreinerei. Takamakaholz wächst in Hülle und Fülle, gleich nebenan. "Jede Villa ist individuell gestaltet", sagt Alan Mason und zeigt eine handgearbeitete Holzkommode, die für Nummer Neun bestimmt ist.

Dass die winzige Erhebung im Ozean nur mit dem Flieger zu erreichen ist, macht den Aufenthalt bei den Mason's noch exklusiver. Den Grund dafür erinnert Alan mit Schaudern: "Vor Jahren hat ein Boot Ratten auf Denis eingeschleppt." Seitdem darf sich kein Schiff der Insel nähern, um das komplexe Ökosystem nicht erneut aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Masons Kinder lieben das Eiland und verbringen ihre Ferien am liebsten bei den Großeltern Kathy und Michael. Mason Senior verbringt mit ihnen seine Tage in der kleinen Werkstatt und repariert das eine oder andere Maschinenteil. Kathryn kümmert sich um die Innenausstattung des Hotels. "Sie sieht es sofort, wenn eine Kleinigkeit verändert wurde", lacht Alan, der selbst oft von Mahé auf die Insel fliegt.

An jedem Sonntag ist Familientag. Obwohl an diesem Tag kein Flieger landet, spazieren die Masons geschlossen zur Landebahn, die dann zum Cricketfeld umgewandelt wird. "Seit vielen Jahren hat das Cricketspiel der Einheimischen am Wochenende Tradition", sagt Alan. Auf seiner kleinen Insel im Indischen Ozean lässt sich der Kultur-Mix scheinbar mühelos realisieren.

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Fotos: Kerstin Walker

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